Dr. Thomas Wiedemann (Halem Verlag): Machtverhältnisse im deutschen Spielfilm
Shownotes
Highlights der Folge
- Zentrale Thesen und Inhalte:
Dr. Thomas Wiedemann beleuchtet kritisch die deutsche Kinospielfilm-Branche und deren starke Abhängigkeit von Filmförderung und öffentlich-rechtlichem Fernsehen.
Er erklärt die politische Dimension des deutschen Films und wie öffentliche Fördermittel sowie das Fernsehen entscheidenden Einfluss darauf haben, was erzählt wird.
Die Mechanismen der Filmförderung, Gremienentscheidungen und regionale Anforderungen führen laut Wiedemann zu einer gewissen "Normierung" und einer eingeschränkten Vielfältigkeit im deutschen Film.
Eine empirische Grundlage: Neben Diskursanalysen hat Dr. Wiedemann umfangreiche Experteninterviews mit Branchenbeteiligten (Drehbuch, Regie, Produktion etc.) geführt.
Diskussion über die Herausforderungen und Chancen durch neue Player wie Streamingdienste (Netflix, Amazon), allerdings noch keine abschließenden wissenschaftlichen Analysen dazu.
Dr. Wiedemann betont die Bedeutung einer größeren inhaltlichen Durchlässigkeit und fordert mehr Raum für künstlerisches Scheitern, damit mehr Vielfalt und Lebenswirklichkeit abgebildet werden kann.
- Für wen ist die Folge geeignet?
Filmschaffende (Produzent:innen, Regisseur:innen, Drehbuchautor:innen), die sich für die Strukturen der deutschen Filmbranche interessieren.
Studierende und Forschende im Bereich Medien- und Kommunikationswissenschaft, Filmwissenschaft und Kulturpolitik.
Vertreter:innen aus Politik, Institutionen und Öffentlich-Rechtlichen, die an der Weiterentwicklung der Filmförderung beteiligt sind.
Kino- und Filminteressierte, die einen tieferen Einblick in die Mechaniken und die politische Rolle des deutschen Films erhalten möchten.
Branchennahe Entscheidungsträger und Fördergremien, die sich für neue Impulse und Reflexionen interessieren.
- Weiterführende Links und Informationen zur Episode:
Autor und Buch:
Dr. Thomas Wiedemann
Titel: „Deutscher Kinospielfilm“
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Institut: Medienforschung an der Technischen Universität Chemnitz
Tipp: Wer tiefer in die Thematik der Filmförderung und der branchenspezifischen Machtstrukturen eintauchen möchte, findet in dieser Folge fachkundige Einblicke und aktuelle Analysen, die sowohl inspirieren als auch zum Nachdenken anregen.
Homepage: https://www.halem-verlag.de/ Technische Universität Chemnitz: https://www.tu-chemnitz.de/
Transkript anzeigen
00:00:00: Frankfurter Buchmesse.
00:00:02: Herzlich willkommen zu einer weiteren Folge des Messe-Podcasts von der Frankfurter Buchmesse.
00:00:07: Mein Name ist Axel Joemeyer und jetzt zu Gast ist Herr Dr.
00:00:11: Wiedermann.
00:00:12: Ich grüße Sie.
00:00:13: Ich grüße Sie auch.
00:00:14: Schöne, dass ich hier bin.
00:00:16: Herr Dr.
00:00:17: der Dr.
00:00:17: sagt schon, Sie haben ein wissenschaftliches Werk geschrieben.
00:00:21: Deutscher Kinospielfilm.
00:00:23: Bevor wir sozusagen die Thesen da einmal durchgehen, versuchen wir, Ihre wissenschaftliche Reputation abzuhören, damit wir auch wissen, dass das, was Sie zu sagen haben, auch wirklich gut sein wird.
00:00:36: Sagen Sie etwas über Ihren wissenschaftlichen Background.
00:00:39: Oh Gott,
00:00:40: ich bin Kommunikationswissenschaftler.
00:00:42: Was vielleicht eine Erklärung nötig macht, beschäftigen uns mit Medien, mit Massenmedien in jeder ganzen Vielfalt.
00:00:50: Ich beschäftige mich schon seit geraumer Zeit mit dem Medium-Kinofilm.
00:00:55: Kinospielfilm mit dem Fokus auf Deutschland.
00:00:59: Ich bin Kommunikationswissenschaftler und habe tatsächlich in Kommunikationswissenschaft promoviert und auch habilitiert.
00:01:04: Ich bin also ein Sozialwissenschaftler, das sollte man weit auch noch dazu sagen.
00:01:10: Und derzeit bin ich am Institut Familienforschung der Technischen Universität in Chemnitz.
00:01:17: Wenn ich es richtig verstanden habe, wirft ihr Buch sozusagen einen kritischen Blick auf die Branche.
00:01:23: Und Ihre zentrale These korrigieren Sie mich lautet, Filmförderung bestimmt, was erzählt wird.
00:01:30: Ja, ich würde vielleicht noch ergänzen, Filmförderung und Fernsehen bestimmen, was erzählt wird.
00:01:35: Tatsächlich habe ich eine kritische Fragestellung in meiner Arbeit verfolgt, was passiert mit einem Medium, wenn es öffentlichen Fördermaßnahmen unterlegt, wie beeinflusst die Architektur der Filmförderung das Filmschaffen in Deutschland.
00:01:49: Der Film ist ein offensichtlicher Gegenstand, politischen Handelns eben aufgrund der Förderarchitektur in Deutschland.
00:01:58: Die Zentralität ist tatsächlich und das spiegelt sich auch in Ergebnissen.
00:02:01: Das Filmschaften hat eine politische Dimension in Deutschland.
00:02:04: Es geht neben dem Bemühen um Balance zwischen Kunst und Wirtschaftlichkeit immer auch darum.
00:02:10: Film spiegelt insofern auch Machtverhältnisse wieder.
00:02:14: Man kann das, glaube ich, damit vielleicht ganz anschaulich machen, dass deutsche Filme eigentlich nur zustande kommen, wenn sie gefördert werden und oftmals auch nur dann, wenn das öffentlich-rechtliche Fernsehen diese Filme bereit ist, mitzufinanzieren.
00:02:29: Diese Akteure haben Erwartungen, die Akteure selektieren auch, wen oder was sie fördern und damit bestimmen sie mit, was in Deutschland gewissermaßen erzählt wird.
00:02:43: Gut, wenn wir von Filmsprechen, sprechen wir von Spielfilmen.
00:02:46: Es gibt ja auch Fernsehspiele, das würden Sie davon aber abstraillieren.
00:02:52: Ich habe mich in meiner Forschung tatsächlich auf den Kinospielfilmen konzentriert.
00:02:56: Kinofilmen ist oder war für mich Premiumsegment der Branche.
00:03:01: Spielfilme habe ich konkret anvisiert wegen der höheren Reichweite, wegen des stärkeren Involvements des affektiven Potentials als all das, was in der Forschung schon lange bekannt ist.
00:03:12: Gut, dann müssen wir vielleicht für den Zuhörer, Zuhörerin, erst mal klären, die sich mit dem Metier nicht auskennen, wie denn Film entsteht.
00:03:21: Also, wenn Sie sagen, Spielfilm ist ja immer ein kommerzielles Interesse dahinter.
00:03:25: Und wer steuert denn letztlich Geldmittel bei, damit ein Film entsteht?
00:03:30: Wir haben jetzt einfach so dahin geworfen, Filmförderung und Fernsehen.
00:03:34: Wie entsteht denn finanziell gesehen ein Spielfilm?
00:03:37: Spielfilme sind teuer.
00:03:39: In Deutschland ist es eigentlich so, dass Produktionsunternehmen das alleine nicht stemmen können.
00:03:44: Film ist auch kein Investitionsobjekt.
00:03:47: Filme kommen in Deutschland eben nur zustande durch die öffentliche Filmförderung.
00:03:53: Das sind Förderinstitutionen auf Bundes- und auf Länderebene, die jährlich eine halbe Milliarde Euro in die heimische Filmbranche stecken, um den deutschen Film am Leben zu erhalten, um ihn einigermaßen wettbewerbsfähig zu machen im internationalen Vergleich.
00:04:09: Und es gibt in Deutschland noch eine weitere wichtige Komponente.
00:04:12: Das ist eben das Fernsehen, in meisten Fällen das öffentlich-rechtliche Fernsehen, das auch noch als Co-Financier und dann sehr oft als Co-Produktionspartner auftritt.
00:04:22: Man kann sich das vielleicht auch noch so vorstellen oder ich möchte das so veranschaulichen.
00:04:27: Rund die Hälfte eines Film-Midgets kommt das öffentlichen Töpfen.
00:04:30: Für ein weiteres Viertel kommen die Sender auf.
00:04:33: Und dann zeigt sich eigentlich schon sehr deutlich, dass eben diese Akteure mit im Boot sein müssen.
00:04:39: Ohne die geht es eigentlich gar nicht.
00:04:41: Das heißt, der private Produzent schafft es in Deutschland nicht so viel Gelder durch private Investoren bereitstellen zu lassen, dass er ein Film durchfinanzieren kann.
00:04:52: Ja.
00:04:53: Und worin liegt jetzt ihr Vorwurf?
00:04:54: Man kann ja erstmal sagen, das ist doch sehr schön, das der öffentlich-rechtliche Rundfunk.
00:04:59: Und das ist eine staatliche Filmförderung gibt.
00:05:01: Das ist doch eher klingt für mich erstmal sehr sozial, dass dadurch Filme entstehen können, weil der Produzent das alleine nicht schafft.
00:05:08: Jetzt sagen Sie aber genau daran liegt das Problem.
00:05:11: Und was ist das Problem jetzt konkret?
00:05:13: Natürlich ist das zunächst einmal eine schöne, gute und wahrscheinlich auch sinnvolle Rangensweise, dass man eben sagt, wir möchten verhindern, dass deutsche Filme einzig dem Markt unterworfen sind in dieser Hinsicht.
00:05:29: viele Nischenproduktionen überhaupt erst entstehen und beim Publikum potenziell zumindest landen.
00:05:35: Das Problem, das ich sehe, ist, dass damit natürlich Erwartungen verbunden werden.
00:05:41: Filmförderung und Fernsehen haben wie jeder handelnde Akteur, so bezeichne ich das, Interessen, Zielsetzungen, die sie damit verbinden.
00:05:52: Und das kann und so interpretiere ich das eben.
00:05:56: eine Einschränkung für die Freiheit der Filmschaffenden darstellen.
00:06:01: Können wir es etwas konkreter haben, Herr Doktor?
00:06:03: Sagen Sie, was Sie damit genau meinen.
00:06:05: Das ist ja jetzt noch relativ generell gehalten.
00:06:07: Ich würde gerne mal ein Beispiel hören, wo Sie sagen, hier ist ein Einfluss, den halte ich für kritisch.
00:06:13: Man kann es vielleicht zunächst mal auf der Organisationsebene festmachen.
00:06:19: Die Filmförderung für einen Film geschieht eigentlich nicht in der Regel von einer Institution nur, sondern meistens sind da mehrere Förderstellen auf Bundes- und Länderebene beteiligt.
00:06:29: Diese haben aber auch Erwartungen, etwa, dass Standorteffekte bedient werden oder Standortgesichtspunkte zu tragen kommen.
00:06:37: Das heißt, es braucht dann einen Partner für das Filmprojekt in dem entsprechenden Bundesland.
00:06:43: Es braucht vielleicht auch prominente Schauspielerinnen aus einem anderen Bundesland.
00:06:48: Die Postproduktion muss wieder woanders stattfinden.
00:06:51: All das sind zunächst einmal Anforderungen, denen man sich stellen muss mit Blick auf die regionale Förderarchitektur.
00:06:59: Und ansonsten ist es natürlich so, dass die Förderung am liebsten solche Projekte fördert, die dann schlussendlich auch tonangebend werden, die also möglicherweise wirtschaftlich erfolgreich sind oder kulturell erfolgreich sind, also die Strahlkraft besitzen.
00:07:16: Und es gibt dann eben den Umstand, dass gerade im kulturell-künstlerisch-ästhetischen Bereich vor allem Gremien in den Förderungen darüber entscheiden, ob ein Filmbezuschuss wird gefördert werden kann und damit überhaupt produziert werden kann.
00:07:33: Und diese Gremien, was gucken die sich an?
00:07:35: Die gucken sich das Drehbuch an?
00:07:37: Die gucken sich an, wer sind denn die beteiligten Menschen hinter einem solchen Projekt?
00:07:42: Und was in meiner Forschung sehr deutlich herauskam, was moniert wird, dass da sich bestimmte Relevanzstrukturen immer wieder durchsetzen, dass dadurch bestimmte Geschichten bevorzugt werden, die eben als gesellschaftlich relevant erachtet werden, dass häufig auch ein kleinerer gemeinsamer Nenner sich am Ende dann durchsetzt.
00:08:03: Und das wird deshalb aber etwa auch immer wieder ähnliche Filme von ähnlichen Menschen zu sehen bekommen.
00:08:11: Also sowas wie genormt.
00:08:13: Durch diese Mechanismen findet ein genormter Film Prozess statt, sowohl hinter der Kamera als auch vor der Kamera.
00:08:21: Der hat auf jeden Fall größere Chancen, ja.
00:08:23: Und was wäre da, sagen wir mal, schlecht dran?
00:08:27: Naja, aus meiner kommunikationswissenschaftlichen Perspektive sehe ich das natürlich immer erst mal kritisch, wenn sozusagen auf die Vielfalt oder auf die Freiheit zunächst mit der Film schaffen, aber dann natürlich auch auf die Vielfalt der Perspektiven in irgendeiner Weise Einfluss genommen wird.
00:08:44: Dadurch haben ja nicht alle Perspektiven, alle Geschichten, alle Deutungen von Welt die gleiche Chance überhaupt gemacht zu werden.
00:08:52: Also sozusagen durch Kanäle, die fest umrissen sind, wird ein Bewusstseinsbild einer Gesellschaft nomiert.
00:09:01: Bewusst ist es gar nicht immer.
00:09:03: Ich würde eher sagen, es ist so ein, wie soll ich sagen, in der Theorie heißt es ein transintentionaler Outcome, also etwas, was gar nicht unbedingt willendlich erfolgt, aber auch durch das Zusammenwirken von unterschiedlichen Akteuren eben dann dazu führt, dass eigentlich das Ergebnis sehr erwartbar in vielen Fällen ist.
00:09:25: Und könnten Sie uns da ein Beispiel nennen, wie das in der aktuellen Lage ist?
00:09:28: Haben Sie zum Beispiel Filmbeispiele, wo Sie sagen würden, da trifft meine Kritik genau das, was ich beschreibe?
00:09:34: Ich möchte keine einzelnen Föllen mich hier an den Pranger stellen.
00:09:37: Was ich festgestellt habe, ich habe eine Analyse gemacht von vierzig künstlerisch oder kommerziell erfolgreichen deutschen Kinospielfänden aus dem letzten Jahrzehnt.
00:09:45: Was ich hier festgestellt habe ist, dass Beispielsweise das Gesellschaftsbild, das die Filme transportieren, sehr, sehr einheitlich ist.
00:09:55: Wir sehen im Großen und Ganzen meist eine sehr funktionierende Gesellschaft mit Aufstiegs- und Partizipationsmöglichkeiten, in der der Staat kaum in Erscheinung tritt, allerdings natürlich zur Stelle ist, wenn es um Hilfe, um Not oder um Bildung und Erziehung geht, in der natürlich Defizite zur Schau gestellt werden, die sich allerdings sehr häufig auf der Mikroebene, sage ich mal, also durch die Annäherung verschiedener... Gesellschaftsangehöriger, durch den Austausch unterschiedlicher Perspektiven abmildern, vielleicht sogar korrigieren lassen, in der die Lage nur selten sehr trostlos dargestellt wird, in der es kaum eine hinterfragen von Strukturen gibt.
00:10:33: Systemkritik bleibt eigentlich meistens aus, das fand ich schon sehr bemerkenswert in meiner Analyse.
00:10:39: Und ist die Wissensressource bei Ihnen Ihr eigenes analytisches Vermögen oder haben Sie noch andere aus der Branche selber zur Rate gezogen oder befragt oder nur durch die Analyse der Filme durch sich selbst?
00:10:51: Nein, ich habe zum einen eine recht umfassende Film-Diskursanalyse durchgeführt, zum anderen aber ist die Basis meiner Arbeit eine umfassende empirische Erhebung in Form von sehr... langen Experteninterviews mit allen möglichen Angehörigen der Branche aus den Bereichen Drehbuch, Regie, Produktion, Verlei, Kinoabspiel, Festivals, aber auch Förderung und Fernsehen hier im Bereich Kinospielfilm, bei denen ich mich eigentlich eben genau dafür interessiert habe, was sind so die Konstellationen, in denen überhaupt Filme entstehen, was sind die Erwartungen, die Anforderungen, die an einzelne Projekte von den unterschiedlichen Parteien herangetragen werden.
00:11:37: Und was macht das mit den Filmschaffenden selbst?
00:11:39: Also, wie lavieren sie sich dadurch?
00:11:42: Wie verstehen sie sich selbst?
00:11:44: Was ist ihr Rollenbild?
00:11:46: Was ist vielleicht auch ihr Rezeptwissen, um überhaupt einen Film bewerkstelligen zu können?
00:11:51: Also, ich bin Empirikerm.
00:11:53: Ich habe eigentlich meine Analyse immer so ausgerichtet, dass sie natürlich auf empirisch erhobene Material fußt.
00:12:03: Klar, das wissenschaftliche Ansatz.
00:12:06: Die Interviews, die sie geführt haben, haben die Menschen dort, die aus der Branche selber kommen, dafür ein Problembewusstsein entwickelt, schon gehabt, oder ist das durch sie eigentlich erst in denen erweckt worden?
00:12:18: Überraschend oft gibt es dieses Problembewusstsein.
00:12:21: Tatsächlich, ich war auch erstaunt, wie offen in den Interviews.
00:12:25: Davon die Rede war, dass man ja in den Gesetzmäßigkeiten der Branche gefangen sei, dass man Projekte in die eine oder in die andere Richtung schiebe.
00:12:34: damit sie zu diesem Partner oder jener Förderung passen, dass man eben wisse, was man in diesem System tun könne, um an Geld zu kommen und um sozusagen im Feld zu überleben, dann eben auch Erwartungshaltungen erfüllt, ohne dass die immer explizit formuliert sein müssen.
00:12:52: Diese filmschaffenden Wachsen in einer Filmlandschaft heran, es gibt Vorbilder, sie werden an der Filmhochschule auch an dieses System herangeführt und so Passiert das glaube ich ganz schnell, dass man sich eben konform in gewisser Weise in dem System auch bewegt.
00:13:09: Je nachdem wo wir uns natürlich genau befinden, ob bei Nachwuchsfilmschaffenden oder vielleicht eher bei etablierten Branchengrößen, die vielleicht mehr Freiheiten dann auch wieder haben.
00:13:18: Ja genau, apropos Freiheiten ist das System nicht letztlich auch schon aufgebrochen, denn wir haben ja auch die privaten Sender, wir haben jetzt die ganzen Streamer, Netflix, Amazon und so weiter.
00:13:29: Ist das jetzt nicht nur das Herausziehen eines kleinen Felses, was Sie da ansprechen oder würden Sie das jetzt generalisieren?
00:13:37: Die privaten Sender fördern oder finanzieren nur sehr wenige Kinofilme aus Deutschland.
00:13:44: Das sind wirklich eine überschaubare Zahl an hochkarätig besetzten Projekten, die auch Blockbusterqualitäten oftmals mitbringen.
00:13:55: Die große Mehrheit dagegen wird eigentlich eher vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen als Partnerbezuschuss.
00:14:01: Von daher ist das nicht nur eine kleine Schnittmenge, die ich da genauer betrachte, weil sie Netflix, Amazon ansprechen, da kann ich natürlich nur spekulieren.
00:14:12: Das ist dann wieder der Empiriker in mir, der sich natürlich darauf erst mal fokussiert, was er auch selbst analysiert hat.
00:14:19: Das habe ich nicht.
00:14:20: Mutmaßungen kann ich natürlich trotzdem anstellen.
00:14:22: Ich sehe das ein bisschen zweischneidig.
00:14:24: Da gibt es Herausforderungen und vielleicht auch Risiken.
00:14:29: Es ist natürlich eine interessante Entwicklung, reduzieren mit Netflix.
00:14:33: Der Vorteil ist natürlich die hoffentlich größere internationale Sichtbarkeit auch, die so etwas ermöglicht.
00:14:41: Man hört auch, dass Filme machen mit Netflix um einiges schneller geht.
00:14:46: Es ist unbürokratischer.
00:14:48: Die Budgets sind zum Teil größer.
00:14:50: Das heißt, es könnte damit natürlich auch wieder ein Stück weit mehr künstlerische Freiheit bedeuten.
00:14:56: Nachteile auf der anderen Seite wären natürlich auch gerade eben wieder diese Internationalität.
00:15:02: Die Konkurrenz ist sehr groß.
00:15:03: Die Frage ist auch hier wieder, welche Produkte werden dann letztlich favorisiert.
00:15:09: Wie leicht haben es oder wie schwer haben es dann?
00:15:12: vielleicht nischigere Stoffe, nationale Geschichten oder lokale sogar.
00:15:18: Also da kann man natürlich ganz andere Probleme vielleicht auch wieder sich mit einkaufen.
00:15:23: Gut, das ist ja jetzt eine Bestandsaufnahme.
00:15:26: Bietet ein Wissenschaftler wie Sie auch Lösungsvorschläge an, haben Sie Modelle entwickelt, die das vermeiden würden, was Sie kritisieren?
00:15:34: Zunächst mal sprechen Sie schon einen wichtigen Punkt an.
00:15:37: Ich bin Sozialwissenschaftler und kein Aktivist.
00:15:40: Das heißt, ich interessiere mich natürlich zunächst mal für gesellschaftliche Strukturen, will darüber lernen.
00:15:45: Mit Lösungen ist es auch etwas schwierig, wenn es so einfach wäre.
00:15:49: Ich mache ja hier auch keinen eindeutigen Schuldigen aus, sondern argumentiere eher mit bestimmten gewachsenen Strukturen und Dynamiken, die sich daraus ergeben.
00:16:00: Natürlich würde ich mir wünschen auf Basis meines Erfahrungsschatzes, dass das System durchlässiger wird für vielfältige Perspektiven, dass es, da argumentiere ich auch mit dem, was ich in den Interviews gehört habe, die ich geführt habe, dass es eine größere Kultur des Scheiterns auch ermöglicht wird, dass also nicht nur der erste Film sofort ein Erfolg sein muss, die Visitenkarte, mit der man überhaupt den zweiten erst machen darf, Das ist vielleicht ein bisschen stark runtergebrochen, aber das genau das eigentlich möglich sein sollte und dass die Lebenswirklichkeit in Deutschland eben insgesamt in einer größeren Bandbreite abgedeckt wird.
00:16:40: Sehr gut.
00:16:41: Ja, letzte Frage.
00:16:43: Für wen haben Sie das Buch geschrieben?
00:16:45: An wen richten Sie sich?
00:16:47: Ich richte mich damit nicht nur an die Wissenschaft, sondern natürlich auch an die Branche, an die Politik, an Senderverantwortliche.
00:16:59: Aber eigentlich darüber hinaus an die Gesellschaft, denn ich denke ein Nachdenken auf einer solchen höheren Ebene über die Macht von gewachsenen Strukturen und was das für Folgen hat für einen Diskurs, einen medialen Diskurs, einen filmischen Diskurs, das finde ich eigentlich etwas sehr Wichtiges und in meinem Fall möchte ich natürlich da auch zum Reflektieren in der Branche, aber auch zum Sensibilisieren der Gesellschaft beitragen.
00:17:28: Herr Dr.
00:17:28: Thomas Wiedemann, Medienforscher und Autor des neuen Buches, deutscher Kinospielfilm.
00:17:34: Vielen Dank, dass Sie da waren.
00:17:35: Ich bedanke mich, war schön mit Ihnen.
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